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Von der Krankenhausapotheke in Berlin nach Kolkata

Andrea Erbguth, April 2024

Andrea ErbguthAls ich vor 5 Jahren zum ersten Mal nach Indien gereist bin, war ich erst einmal komplett überfordert. Die Kontraste, die vielen Eindrücke, die Armut, der Schmutz, und das Gefühl immer fremd zu sein, haben mich unglaublich angestrengt. Aber im Laufe der Reise bin ich nach und nach der Faszination des Landes erlegen: die Farben, die Menschen, die Kultur und die Religionen zogen mich in Ihren Bann und mir war klar, dass ich wiederkommen möchte. Doch ich wollte nicht nur reisen, sondern meine Neugier auf dieses Land und meine Erfahrung in der Krankenhauspharmazie verbinden, und dabei möglichst noch etwas Sinnvolles tun. Deshalb wurde ich 2020 Mitglied bei Calcutta Rescue Deutschland und war sehr schnell beindruckt von der Arbeit der Organisation.  Als dann auf dem Frühjahrstreffen 2023 eine Apothekerin gesucht wurde, die sich vor Ort ein Bild von der Situation macht, habe ich sofort zugesagt und mir 2 Monate unbezahlten Urlaub genommen.

Bei der Beantragung des Arbeitsvisums habe ich dann gleich gelernt, dass nicht nur Deutschland, sondern auch Indien für seine Bürokratie berühmt und berüchtigt ist. Mit viel Unterstützung von Sambhu aus dem Calcutta Rescue Office und von Jutta als Koordinatorin in Deutschland habe ich es dann doch geschafft und zwei (!) Tage vor dem geplanten Abflug mein Visum bekommen.
Als ich aus dem Flugzeug steige, fühlt sich vieles gleich vertraut an. Morgens um 8.00 begrüßen mich Hitze, Smog und viele Gerüche, Hupen und Hundegebell. Ghopal, der viele Jahre als Fahrer für Dr. Jack gearbeitet hat, holt mich vom Flughafen ab, und begrüßt mich so herzlich, dass ich mich sofort willkommen fühle.
Aber trotz Indienerfahrung geht es doch nicht ganz ohne „Kulturschock“. In den ersten Tagen wünsche mir immer wieder, 20 cm kleiner zu sein und schwarze Haare zu haben, denn als große blonde Frau falle ich überall auf und ziehe neugierige Blicke auf mich.
Aber ich gewöhne mich schnell daran, und genieße es, dass mich nach kurzer Zeit im Viertel Shyambazar, in das sich kaum Tourist*innen verirren, viele Menschen kennen und immer wieder freundlich grüßen. Die unglaublichen Kontraste in der Stadt sind kaum zu fassen und fallen mir immer wieder auf: einerseits gibt es Shoppingmalls mit Gucchi Täschchen, andererseits leben nicht weit davon Menschen unter Plastikplanen an der Bahnlinie. Während eine kleine Oberschicht und eine wachsende Mittelschicht vom wachsenden Aufschwung Indiens profitieren, lebt immer noch fast ein Drittel der Bevölkerung in den Slums unter für uns unvorstellbaren Bedingungen.
Nachdem ich am ersten Tag eine kleine Stadtrundfahrt zu den wichtigsten Projekten und einzelnen Ambulanzen von Calcutta Rescue bekommen hatte, begann am zweiten Tag meine Tätigkeit in der Apotheke. Der erste Eindruck lässt sich mit dem Ausdruck „same same - but different“ ganz gut beschreiben. Einerseits ist die Apotheke doch viel kleiner und einfacher ausgestattet als eine deutsche Apotheke, andererseits sind mir fast alle der ungefähr 500 vorrätigen Arzneimittel vertraut. So viele Arzneimittel gegen Typ 2 Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck hätte ich hier allerdings nicht erwartet.
Trotz der Armut der Menschen in den Slums sind die sogenannten Zivilisationskrankheiten auf dem Vormarsch. Viele Menschen sind zwar mangelernährt, essen aber zu kohlehydrat- und fettreich und Indien hat eine der höchsten Raten an Typ 2 Diabetes weltweit. Wie gut, dass unser Verein unter anderem das Diabetesprojekt fördert, wo die Menschen nicht nur Medikamente, sondern auch Beratung und Untersuchungen rund um Ihre Krankheit bekommen.  

Es ist schön zu sehen, dass der Routinebetrieb in der Apotheke unter Leitung des Apothekers Santanu mit einem eingespielten Team gut funktioniert. Die meisten Mitarbeitenden sind schon seit vielen Jahren dort tätig und ich habe den Eindruck, dass die Arbeit bei Calcutta Rescue für sie nicht nur ein Job, sondern eine echte Lebensaufgabe ist. Neben den langjährigen Mitarbeitenden gibt es mittlerweile auch drei junge indische Apotheker die in den Ambulanzen Talapark, Nimtala und Tangra für die korrekte Abgabe der Medikamente sorgen. Unser Ziel ist es, sie in den nächsten Jahren kontinuierlich weiterzubilden damit sie noch besser in die Beratung von Ärzt*innen und Patient*innen eingebunden werden können. Der Alltagsbetrieb funktioniert auch ohne mich, aber für das Erstellen von Arbeitsanweisungen, Organisieren von Fortbildungen und Überarbeiten der Arzneimittelliste fehlt dann häufig im Alltag doch die Zeit und es gibt viel für mich zu tun. Ich schaue mir alle Prozesse an, beantworte Fragen, überprüfe SOPs und erstelle Listen mit Einnahmehinweisen, Arzneimittelinteraktionen und Nebenwirkungen. Ein wichtiges Thema ist auch der Umgang mit Impfstoffen. Die Street Medicine fährt fast täglich in die Slums um dort zum Beispiel gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Influenza und Hepatitis zu impfen. Die ordnungsgemäße Kühllagerung und der Transport der wertvollen Impfstoffe ist häufig bereits bei uns in Deutschland eine Herausforderung. In Kolkata, wo im Sommer über 40 °C erreicht werden, gilt dies umso mehr. Ich erstelle also Tabellen mit Eigenschaften von Impfstoffen, Arbeitsanweisungen für den Kühltransport und veranstalte eine Schulung für das Team, bei der (mit Santanus Hilfe als Übersetzer) viel gefragt und diskutiert wird.

Andrea Erbguth

Ein weiters spannendes Thema ist die Überarbeitung der Antibiotikaleitlinien. Hier stellt sich die Resistenzsituation als echte Herausforderung dar. Die unkritische Abgabe von Antibiotika, mangelnde mikrobiologische Diagnostik und nicht zuletzt fehlende Umweltauflagen bei der Antibiotikaherstellung, führen dazu, dass Indien weltweit die kritischste Resistenzsituation aufweist. In der Praxis führt das dazu, dass viele Antibiotika auch bei banalen Infekten nicht mehr wirksam sind. Auch hier stelle ich meine Ergebnisse auf einem Doctor´s Meeting vor, wo viel gefragt und diskutiert wird.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass in den letzten Jahren viel erreicht wurde und die Arbeit von Calcutta Rescue immer professioneller wird. Mit Unterstützung von Dr. Moona Rakhit aus UK wurde z.B. eine elektronische Patientenkurve eingeführt und ein Programm zum Screening auf Zervixkarzinome begonnen. Ein weiteres wichtiges Ziel für die nahe Zukunft ist die bessere Versorgung der Patient*innen mit chronischen Wunden. Allerdings stoßen wir bei unseren Überlegungen und Plänen auch immer wieder an finanzielle Grenzen und müssen sorgfältig überlegen, wie die knappen Ressourcen am besten investiert werden können.

Neben der Arbeit in der Apotheke und den Ambulanzen habe ich es sehr genossen, auch die anderen Projekte kennenzulernen. Ich war sehr beeindruckt von der Arbeit der Schulen, ich lernte das Handarbeitsprojekt kennen und konnte im Dakshineshwar Slum mit eigenen Augen sehen, welche Verbesserungen Calcutta Rescue dort durch den Bau von Toiletten, befestigten Wegen und Hütten erreichen konnte. Die zwei Monate vergingen wie im Flug, und reichten gerade aus, um einen kleinen Einblick in die Arbeit von Calcutta Rescue zu bekommen. Aber es war doch genug Zeit, um zu erkennen, dass das Motto „Creating Opportunities, Changing Lives“ nicht nur ein Motto ist, sondern dass wir wirklich dazu beitragen können, das Leben von Menschen zum Positiven zu verändern.

Nicht zuletzt habe ich diese riesige, laute, und anstrengende Stadt Kolkata mit ihren Menschen in mein Herz geschlossen. Zusammen anderen Volontär*innen habe ich Tempel besichtigt und war bei der Weihnachtsfeier des Deutsche Konsulats, wo es bei 30 °C Glühwein und Dominosteine und bengalische Volkstänze gab.  Wir haben Vivaldi im Victoria Memorial gehört und fremdartiger indischer Musik in einem kleinen Dorf unter dem Sternenhimmel gelauscht. Ich habe mich daran gewöhnt, dass es nie leise ist und immer voll und habe gelernt, in den richtigen Bus zu steigen und unversehrt die Straße zu überqueren. Ich habe die Zeit in Kolkata sehr genossen, habe tolle Menschen kennengelernt und viele bereichernde Erfahrungen gemacht.
Ich komme bestimmt wieder!  

Erfahrungsbericht Calcutta Rescue

Irene Markert, Oktober 2019

„Is it your first time in India?“, fragen mich die meisten Leute, denen ich hier begegne. Ja, es ist mein erstes Mal in Indien und immer wieder bin ich überrascht und manchmal schockiert von den vielen verschiedenen Eindrücken, denen ich hier jeden Tag begegne. Aber solange man eine offene Einstellung behält, kann einem nichts passieren.

Ich wohne im Süden von Kalkutta mit Jen aus England zusammen. Seit die Volontäre nicht mehr unter einem Dach wohnen, ist es manchmal etwas schwierig Zeit für einen regelmäßigen Austausch zu finden. Die Einführung in die Organisation ist wirklich herzlich und jeder nimmt sich  Zeit, auch wenn alle viel mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigt sind. Jaydeep kümmert sich wirklich gut um uns Volontäre und hat immer ein offenes Ohr, trotz seiner vielen Pflichten als CEO. Alle Bereiche, in denen die Volontäre arbeiten, sind so unterschiedlich, es ist immer wieder spannend einen Blick in die anderen Projekte zu werfen. Zum Beispiel durfte ich einen Tag beim „Poverty Survey“ in den Slums dabei sein und auch selbst bei der Datenerhebung helfen.

 

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Poverty Survey im Slum von Nimtala mit den Volontären Maurice und Pete aus England (links) und ihren indischen Praktikanten (rechts)

Ich besuche regelmäßig einen Kunstkurs und lerne Bengalisch und kann so auch außerhalb der Arbeit soziale Kontakte aufbauen und pflegen. Ich würde jedem Volontär empfehlen, ein paar Wörter Bengalisch zu lernen. Die Mitarbeiter freuen sich sehr, wenn man sie in ihrer Muttersprache begrüßt und es bricht das Eis. Auch wenn die Menschen hier in der Regel herzlich und offen sind, war es trotzdem eine Herausforderung mich in der neuen Kultur zurecht zu finden. Nach drei Monaten kann ich endlich sagen, dass ich mich wirklich hier zu Hause fühle und die Stadt lieben gelernt habe. Eine besonders bereichernde Erfahrung war das Durga Puja Fest, an dem mich meine lokalen Freunde hier haben teilhaben lassen und mich herumgeführt haben.

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Pandals während des Durga Puja Fests

Die Arbeit bei Calcutta Rescue ist anders als erwartet, aber gerade dies und die Abwechslung macht die Arbeit jeden Tag wieder spannend. Die größte Herausforderung ist, dass sich die Funktion des Volontär Apothekers in der letzten Zeit so sehr gewandelt hat. Es gibt keine festen Aufgaben innerhalb der Apotheke mehr für mich, wie die Volontäre in den Jahren zuvor innehatten. Dank der Leitung durch den lokalen Apotheker Santanu sind alle essentiellen Aufgabenbereiche abgedeckt und die Arbeit der Apotheke läuft auch ohne die Unterstützung eines Volontärs. Das heißt, ich darf mich auf die Evaluation und Verbesserung der Arbeitsprozesse stürzen, sowohl in der Apotheke als auch in den Ambulanzen.

Meine erste Zeit habe ich vor allem damit verbracht die Medikamente, die in der Talapark Ambulanz (TPC) ausgegeben werden zu kontrollieren um Flüchtigkeitsfehler, die beim Abpacken passieren können, zu minimieren. So konnte ich guten Kontakt zu den Mitarbeitern am „Dispensary Table“ aufbauen und auch wenn ich in der Apotheke arbeite, schaue ich morgens einmal in TPC vorbei und trinke einen Chai mit den Mitarbeitern dort.

Ich habe mein erstes Audit bezüglich Antibiotikaverbrauch in TPC durchgeführt, ein weiteres steht demnächst für die Nimtala Ambulanz an. Ich veranstalte ein regelmäßiges Training über verschiedene Medikamentengruppen und –anwendung mit den Mitarbeitern der Ambulanzen. Mein jetziges Projekt ist ein kurze Patientenstudie in TPC bezüglich Compliance und Verständnis für Krankheit und Medikamente. Dabei knüpfe ich an die Arbeit meiner Vorgängerin Luisa aus 2017 an, mit tatkräftiger Unterstützung von Anita, die u.a. im Health Education Programm tätig ist und sich um die Beratung und Abgabe der Medikamente an den Patienten kümmert. Das optimale Ziel in Zukunft wäre es, unseren Apotheker Santanu mehr in der klinischen Arbeit zu involvieren und ein effektives Medikationsmanagement für multimorbide Patienten zu gewährleisten. Die Arbeit mit Anita hat mir besonders viel Spaß gemacht und kommt der Arbeit in der öffentlichen Apotheke am nächsten. Ich würde gerne weiterhin mit Anita arbeiten, die Beratung des Patienten verbessern und die Lücken zwischen Arzt und Apotheker schließen.

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Apotheker Santanu und Shuvo in der Apotheke (links), Dispensary Table in TPC mit Bornali und Shubra (mitte), Dakhineshwar Slum mit Jaydeep und Debu zur Besichtigung der neu gebauten Toiletten und Wasserzugänge (rechts)
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Street Medicine Ambulanz II in Liluah Bhagat (links) und Kolkata Station Slum (rechts)

Ich denke, dass der Austausch mit neuen Volontären mit neuem Input und Erfahrungen sehr wichtig ist. Jeder arbeitet anders, es ist manchmal schwierig an die Arbeit eines vorangegangen Volontärs anzuknüpfen ohne direkte Übergabe. Es ist lohnenswert über einen längeren Zeitraum in Kalkutta zu arbeiten, um ein tieferes Verständnis für die  Arbeit von Calcutta Rescue zu entwickeln. Ich hoffe, dass ich wenigstens einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der Organisation leisten kann. Es gibt immer etwas Neues zu lernen und der Kontakt mit der Kultur ist jeden Tag wieder eine bereichernde Erfahrung. Ich bin gespannt, was mich in meiner restlichen Zeit hier erwartet.

 

Rein in die indische Kultur!

Marion Schade, Fachapothekerin für klinische Pharmazie, Mai 2016

Eine Stadt mit Charme

Sechs Monate Kalkutta! Bevor ich hier angekommen bin, wusste ich nicht viel über diese Stadt, obwohl ich schon einmal hier gewesen war. Kalkutta gehört zusammen mit Delhi und Mumbai zu den drei wichtigsten Metropolen des Landes. Armut ist das Thema, das wir im reichen Westen mit Kalkutta verbinden. Ja, die Menschen hier sind arm. Gleichzeitig sind sie aber auch reich, weil sie freundlich und offen sind. Die lächelnden Gesichter und die Hilfsbereitschaft prägen das Ambiente der Stadt. Kalkutta hat auch künstlerische und intellektuelle Seiten zu bieten, die man als Tourist vermutlich gar nicht wahrnimmt. Konzerte, Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen sowie einige schöne Cafés kann man in seiner Freizeit genießen.

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Ein ganz normaler Arbeitstag

Morgens bevor ich mich in eine überfüllte Metro zwänge, komme ich an mehreren kleinen Geschäften vorbei, einem Fleischer, einem Chai-Stand und einem Restaurant. Manchmal treffe ich auch zwei Hirten vom Land, die ihre Ziegen auf dem Bürgersteig füttern und verkaufen. Die meisten Ladenbesitzer kennen mich bereits und grüßen mich freundlich mit einem typisch indischen Kopfwackeln. Die Metro bringt mich in den Norden der Stadt, wo die Talapark Ambulanz, die Talapark Schule und die Apotheke von Calcutta Rescue zu finden sind. Der Weg zur Apotheke führt mich an einem Markt vorbei. Ich sehe wie Hühner geschlachtet werden und gehe schnell weiter zu meinem Lieblings-Chai-Stand. Es sind ca. 40°C und 60% Luftfeuchtigkeit. Ich schwitze und meide die Sonne. Ich trinke einen Chai, der mir Energie und Abkühlung verschafft. Dann laufe ich weiter, grüße den Straßenfriseur, den Fahrrad/Rickschareparateur und zum Schluss noch den Fischverkäufer, der zwei Kater als ständige Verehrer hat.

Ich komme in der Apotheke an und freue mich, dass die dicken Wände den Großteil der Hitze draußen halten und ein Ventilator über meinem Kopf surrt. Die drei einheimischen Mitarbeiter der Apotheke begrüßen mich lächelnd und ich beginne mit meinen verschiedenen Aufgaben. Arzneimittelspenden müssen sortiert und in eine Excel-Tabelle eingetragen werden. Beim Sortieren wird mir fleißig geholfen. Einiges ist bereits verfallen. Ich recherchiere und beantworte Fragen der Ärzte zu den Arzneimitteln, beantrage neue Spenden unserer regelmäßigen Spender (z.B. Vitamin A für die Schulkinder), pflege unsere UpToDate Arzneimitteldatenbank und bereite Präsentationen vor. Einmal im Monat findet ein Ärztetreffen statt. Die Ärzte unserer Ambulanzen und die Volontäre treffen sich, um Fälle und aktuelle Angelegenheiten zu diskutieren. In diesem Rahmen bereite ich eine kurze Präsentation vor. Hierfür wähle ich ein aktuelles Thema und stelle die neuesten Entwicklungen und den geltenden medizinischen Informationsstand dar. Die anderen Präsentationen bestehen aus den “Phamacy lessons”. Diese einstündigen Unterrichtseinheiten finden einmal pro Woche statt und schulen das Gesundheitspersonal der Ambulanzen. Die tägliche Belieferung der Ambulanzen, Bestellungen und Kommunikation mit den Lieferanten wird von den einheimischen Mitarbeitern organisiert.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen in der Apotheke und später getaner Arbeit mache ich mich nachmittags auf den Weg zurück zu meiner Bleibe im Süden der Stadt. Bevor ich in eine dieses Mal nicht überfüllte Metro steige, mache ich schnell noch eine Chai-Pause bei meinem Lieblingsstand.

Projekte außerhalb der Apotheke

An zwei Tagen in der Woche bin ich der Talapark Schule und bearbeite die Arzneimittelliste der medizinischen Schulsoftware. Standarduntersuchungen der Kinder (Alter, Größe, Gewicht, BMI, Zustand der Zähne), Behandlungen, Gabe von Vitamin A, Entwurmungen und spezielle Ernährungspläne für unterernährte Kinder werden hier dokumentiert. Zwei weitere Volontäre sind abwechselnd in unseren beiden Schulen und schulen das Personal, die Schulsoftware optimal zu nutzen.

Einmal pro Woche verkauft Calcutta Rescue die im Handarbeitsprojekt handgemachten Souvenirs. Alle Volontäre helfen abwechselnd bei diesem Verkauf mit. Die fairgehandelten Produkte werden hier nicht nur verkauft, sondern es werden auch Informationen über den Verein in Gesprächen mit Interessierten weiter gegeben.

Ein paar Worte zum Schluss

Die Arbeit bei Calcutta Rescue ist auf eine ganz andere Art und Weise lehrreich als die Arbeit in Deutschland. Sie ist eine kulturelle Bereicherung. Es macht Spaß mit den freundlichen Mitarbeitern zusammen zu arbeiten. Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte!

 

Kalkutta? No Problem!

Im Gespräch mit den Volontärapothekern Christian Siewert und Stefanie Weißig

Christian Siewert und Stefanie Weißig sind zwei Apotheker, die 2014 für sechs Monate für Calcutta Rescue als Volontär gearbeitet haben.

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Christian Siewert und Stefanie Weißig bei der Vergabe von Zertifikaten an die Calcutta Rescue Mitarbeiter für die erfolgreich bestandene Weiterbildung

Stefanie denkt an ihre Entscheidung zurück, nach Kalkutta zu gehen:

„Meinen Job als Krankenhausapothekerin in Deutschland aufzugeben, um sechs Monate als Freiwillige in Kalkutta zu arbeiten, erschien den meisten meiner Freunde und Familie als ungewöhnliche, wenn nicht gar unverständliche Karriereentscheidung. Nichtsdestotrotz träumte ich von einer neuen beruflichen und persönlichen Herausforderung und der Möglichkeit, eine Veränderung in meinem und dem Leben anderer herbeizuführen. Ich verbrachte viel Zeit damit, eine Organisation zu finden, die ich so effektiv wie möglich mit meiner Arbeitserfahrung als Krankenhausapothekerin unterstützen konnte. Schließlich erzählte mir eine Apothekerin von Apotheker ohne Grenzen über die herausragende Arbeit von Calcutta Rescue für die Ärmsten der Armen in Kalkutta und Westbengalen. Als ich von den verschiedenen Projekten hörte und wie Volontärapotheker aus der ganzen Welt in einer langen Tradition dazu beigetragen haben, brauchte es nicht lange, mich zu überzeugen. Das war genau das, was ich machen wollte.“

Sowohl Christian als auch Stefanie lernten sehr viel aus den Erfahrungen und Herausforderungen, denen sie während ihrer Arbeit für Calcutta Rescue begegneten.

Christian erzählt:

„Die Art, wie Calcutta Rescue mit begrenzten Mitteln Probleme angeht, ist beeindruckend und inspirierend... Egal wo ich hinging, die Menschen waren geduldig und freundlich.

Unsere Hauptaufgaben beinhaltete das Verwalten der Arzneimittelspenden, das Organisieren von neuen Spenden, die Unterstützung der indischen Angestellten der Calcutta Rescue Apotheke, das Überwachen der Verfalldaten der gelagerten Medikamente und der Bestellmengen, das Bereitstellen von Arzneimittelinformationen für die Ärzte und das Verbessern des Bestellsystems zwischen den Ambulanzen und der Zentralapotheke. Wir führten außerdem Schulungen für die medizinischen Angestellten der Calcutta Rescue Ambulanzen durch, berieten die Ärzte zu Verschreibungen und nahmen am Medical Audit Committee teil.“

Stefanie berichtet von ihrer Arbeit:

„An einem normalen Arbeitstag verbrachte ich den Vormittag in der Zentralapotheke, um das Apothekenteam bei ihrer alltäglichen Arbeit zu unterstützen. Ich beantwortete E-Mails zu Arzneimittelfragen, verzeichnete oder verwaltete neue Arzneimittelspenden und machte die Gegenprobe der gerichteten Lieferungen für die Ambulanzen. Nach einem kleinen und leckeren Mittagessen aus Reis und Dal in der Apotheke arbeitete ich gewöhnlich an verschiedenen Projekten am Nachmittag. Als ich nach Indien kam, um als Apothekerin zu arbeiten, hatte ich nicht erwartet, dass ich mich durch Papierakten kämpfen würde, um das klinische Resultat von Krebspatienten zu recherchieren, dass ich therapeutische Gesichtsmassagen für Kinder mit Lernschwierigkeiten geben würde, dass ich an Wasserfarbmalkursen mit ihnen teilnehmen würde, dass ich Leprawunden vor der mobilen Ambulanz versorgen würde oder dass ich fair gehandelte Handarbeiten in einer Hotellobby an Touristen verkaufen würde. Aber all dies waren willkommene Ergänzungen zu meiner Routine in der Apotheke und halfen mir, mein Herz zu öffnen für die Leute, zu deren Hilfe ich gekommen war.

Stefanie spricht auch von ihrem Leben in Kalkutta außerhalb der Arbeit:

„Neben der Arbeit genieße ich besonders den reichhaltigen kulturellen Schatz, den Kalkutta birgt. Dank unserer wunderbaren Gastgeber hatte ich die Gelegenheit, an einem Livekonzert klassischer indischer Musik mit zwei außergewöhnlichen Sitar- und Tablaspielern teilzunehmen. Es war sehr intensiv und meine Lieblingserfahrung indischer Kultur. Und es wird sogar noch aufregender jetzt, wo uns Durga Puja, vielleicht DAS kulturelle Highlight im bengalischen Kalender, erwartet. Nach drei Monaten in Kalkutta fühle ich ein starke Verbindung zu der Stadt und ihren Menschen und ich bin glücklich, hier zu sein und mit ihnen zu feiern.“

Calcutta Rescue Deutschland e.V. dankt den beiden für ihre gute, wichtige und freiwillige Arbeit.